Erfurt hat sich in Deutschland als Kindermedienstandort etabliert, doch neben bekannten Größen wie dem Kinderkanal und dem Landesfilmdienst gibt es auch viele kreative Köpfe, welche die Erfurter Medienwelt bereichern. Zu ihnen gehören auch Franziska Bausch-Moser und Niels Bauder, frischgebackene Absolvent:innen des Masterstudiengangs Kinder- und Jugendmedien. Zusammen mit jungen Geflüchteten aus Erfurt arbeiten sie an ihrem Filmprojekt „(Don’t) Stop Motion“. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben Franzi und Niels ihre Geschichten anvertraut und erzählen im Stop-Motion-Film jede:r auf seine ganz persönliche Art und Weise, wie sie eigentlich nach Deutschland gekommen sind.
Vom Uniprojekt zum eigenen Dokumentarfilm
Die beiden Medienpädagog:innen und Filmemacher:innen hatten schon lange das Vorhaben, ein Medienprojekt mit Geflüchteten zu organisieren. Ein Uniprojekt hat dann schließlich dafür den Startschuss gegeben. In der Planungsphase ihres Projektes wandten sich Franziska und Niels an verschiedene Hilfsorganisationen. Schließlich konnten sie ihr Vorhaben bei einem zweiwöchigen Workshop in Athen umsetzen. In einer Art Skillsharing Place, haben die beiden mit geflüchteten Jugendlichen einen Stop-Motion-Film über deren Flucht realisiert. Dabei konnten die Jugendlichen selbst kreativ werden und auch Erlebtes auf diesem Weg verarbeiten. In der gesamten Projektphase wurden die Geflüchteten professionell psychologisch betreut.

Nachdem der Workshop und das Format in Athen mit viel Begeisterung angenommen wurde, beschlossen die beiden Medienpädagog:innen das Projekt im größeren Format in Deutschland umzusetzen. Sie starteten in Erfurt den Aufruf für das (Don’t) Stop Motion Filmprojekt und so kamen die drei Protagonist:innen Muntazar, Zahra und Ahmad zusammen.
Aufarbeitung von Erlebten im Filmprojekt (Don’t) Stop Motion
Zur Unterstützung der professionellen Umsetzung des Projektes wurde den Filmemacher:innen das Atelier M6 in der Marktstraße von der Wirtschaftsförderung Erfurt zur Verfügung gestellt. Dort haben Sie das nötige technische Equipment, Platz zum Bauen der Requisiten und natürlich einen großen Greenscreen. Nachdem ich mich im Atelier umgesehen habe, kommt auch schon der erste Protagonist:in dazu. Muntazar hat sich gleich nach der Schule auf den Weg zum Atelier gemacht, um sich mit mir über das (Don’t) Stop Motion Filmprojekt zu unterhalten. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein ganz normaler, sorgloser Teenager. Doch Muntazar hat eine jahrelange Flucht aus seiner Heimatstadt Bagdad im Irak hinter sich. Zusammen mit seiner Familie ist er 2015 in Deutschland angekommen.

Er erklärt mir, dass er teilweise erst durch das Filmprojekt realisiert hat, durch welche Länder er überhaupt geflüchtet ist. Niels und Franzi haben mit den jungen Geflüchteten ausführliche Interviews geführt, damit sie ihre Geschichte und ihren Weg genau nachverfolgen konnten. Alles Geschehene noch einmal zu rekapitulieren, war jedoch nicht einfach. Muntazar erzählt, dass durch die Interviews alles, was er „in der Kiste der Vergangenheit“ verschlossen und schon fast vergessen hatte, wieder hochkam. Ihm ist es trotzdem wichtig, seine Erlebnisse an andere weiterzutragen. Mit dem Film will er so viele Menschen wie möglich erreichen.
Zunkunftspläne und das Leben in Erfurt
Als wir uns über seine ehemalige Heimat und sein jetziges Leben in Deutschland unterhalten, erklärt mir Muntazar dass er sich in Erfurt sehr wohlfühlt. Hier kann er seinem Hobby, Judo, nachgehen und eine sichere Zukunft planen. Das sind Dinge, die in seinem Heimatland nicht möglich gewesen wären. Auf meine Frage, ob er sich auch vorstellen könnte, im Medienbereich eine Ausbildung zu machen, schüttelt er jedoch lächelnd den Kopf.
„Ich möchte mit Menschen zusammenarbeiten und einen sozialen Beruf ausüben. Sobald ich meinen Realschulabschluss habe, mache ich eine Ausbildung zum sozialen Assistent:in und danach zum Erzieher. Das ist mein Traum.“
Und genau der soziale Aspekt ist es auch, der ihm am Projekt am meisten Spaß gemacht hat, denn er kann viele der anderen Projektmitglieder nun auch seine Freunde nennen. Mittlerweile besteht das Team nämlich nicht nur aus Franzi, Niels und den drei Protagonist:innen, sondern auch aus anderen Jugendlichen aus Erfurt, die eifrig beim Filmprojekt mithelfen.

Kreatives Schaffen im Atelier M6
Während mir Franzi, Muntazar und Niels die verschiedenen Requisiten des Stop-Motion-Films zeigen, öffnet sich erneut die Tür des Ateliers und Zahra betritt den Raum. Im anschließenden Gespräch erzählt mir die 18-Jährige von ihrer Flucht aus Afghanistan und wie sie auf das Filmprojekt in Erfurt aufmerksam wurde. Ursprünglich dachte Zahra nämlich, dass Franzi und Niels nach Schauspielern suchten, und sie war sofort Feuer und Flamme. Zahra möchte nämlich selber gerne einmal Schauspielerin werden und hat deshalb die Gelegenheit am Schopfe gepackt.
Ihre Enttäuschung, dass sie nicht in eine andere Rolle schlüpfen, sondern ihre eigene Geschichte nacherzählen sollte, war jedoch nicht sehr groß. Zahra hat großen Gefallen am kreativen Schaffungsprozess gefunden. Wie die anderen Projektmitglieder hat sie einen großen Teil der Sommerferien im Atelier M6 verbracht. Neben den normalen Requisiten haben sie auch mit dem Erfurter Künstler Pit Nötzold zusammen eigene Puppen kreiert, kleine Versionen von ihnen selbst, die dann im Stop-Motion-Film eingesetzt werden sollen.
Wie es mit dem (Don’t) Stop Motion Filmprojekt weitergeht
Wer jetzt schon am liebsten in die Kinosäle stürmen will, der muss sich noch ein wenig gedulden. Gerade werden nämlich noch viele Stop-Motion Szenen vor dem großen Greenscreen gedreht. Wenn alles so klappt, wie es sich die beiden Filmemacher:innen vorstellen, dann kann der Film im nächsten Frühling in örtlichen Kinos ausgestrahlt werden. Damit das tolle Filmprojekt aus Erfurt auch die verdiente Aufmerksamkeit bekommt, wollen Franzi und Niels es auch auf unterschiedlichen Filmfestivals vorstellen. Langfristig wünschen sich die beiden Medienpädagog:innen, dass der Film ins Schulprogramm aufgenommen werden kann, um Vorurteile abzubauen und den Schüler:innen einen Film zu zeigen, der näher an der Lebenswelt der Geflüchteten ist als die normalen Reportagen.

Wer mehr über das Projekt und die Fortschritte der Filmemacher:innen und ihrer Protagonist:innen erfahren will, der sollte unbedingt auf ihrer Website und dem Instagramkanal vorbei schauen:
Kontakt:
Ich wünsche den Filmemacher:innen und den Protagonist:innen viel Erfolg für das Projekt.
PS: Noch nicht genug vom Lesen? Dann schau doch mal bei meinem letzten Artikel vorbei, ich war auf Kräuterwanderung in Erfurt.