Das Schauspiel kehrt zurück nach Erfurt
Im September 2021 kehrte mit dem Phoenix-Theaterfestival das Schauspiel wieder ins KulturQuartier zurück! An vier Festivaltagen erlebten die Zuschauer eindrucksvolle und neuartige Stücke, inszeniert von jungen Theatermacher: innen aus ganz Deutschland.

Die Initiator: innen des Phoenix-Theaterfestivals gaben Regisseur:innen und Künstler:innen eine Bühne für Stücke, welche im Lockdown entstanden sind und bisher noch nicht aufgeführt werden konnten.
Das viertägige Phoenix-Theaterfestival bot seinen Besucher: innen ein außergewöhnliches und vielfältiges Programm, welches unter anderem relevante Themen wie „GenderBending“, das Leben und Wirken der Mathematikerin Ada Lovelace und eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundwerten unserer Zivilgesellschaft, ansprach. Im Interview geben Initiator:innen Anica Happich und Jakob Arnold einen Rückblick auf das Phoenix-Theaterfestival und einen Ausblick auf die kommenden Jahre und ihr Wirken in Erfurt.

Interview mit Anica Happich und Jakob Arnold vom Phoenix-Theaterfestival
Liebe Anica, lieber Jakob, ich habe gelesen, dass du gebürtige Magdeburgerin bist und du Jakob , gebürtiger Oberfranke bist, wie kamt ihr denn auf die Idee, das Phoenix-Theaterfestival im KulturQuartier Erfurt stattfinden zu lassen?
Jakob:
„Anica hatte schon lange nach Erfurt geschaut und daher war Erfurt schon immer im Fokus, weil es hier kein Schauspiel gibt. Und das ist schon sehr außergewöhnlich, dass eine Landeshauptstadt kein eigenes Schauspiel Ensemble hat. Wir sind dann auf dieses Objekt gestoßen, dem KulturQuartier, und fanden das von der ersten Minute an total irre. Eine außergewöhnliche Kulturstätte, welche seit 2003 geschlossen ist und leer steht und wo sich die Politik nicht darum kümmert. Letztendlich muss es hier eine private wirtschaftliche Initiative geben, die das aufgreift!
Zuerst haben wir uns mit den Leuten vom KulturQuartier digital beschnuppert, aber sofort gemerkt, dass ein Interesse spürbar ist von beiden Seiten! Wir haben daraufhin beschlossen, nach Erfurt zu fahren und uns das Ganze einmal anzuschauen und da war schnell klar, dass wir das jetzt machen. Ein Festival im Festival. Durch die Pandemie sind sehr viele Sachen nach hinten verschoben wurden, d.h. wir hatten auch die Kapazitäten, dass Phoenix-Theaterfestival jetzt zu starten! Und am Ende hat die Stadt selbst durch den Kultursommer dazu beigetragen!“

Anica:
„So konnten erst wir und dann am Ende auch Erfurt davon profitieren! Die Pandemie war vor allem für Kulturschaffende existenzbedrohend, deswegen muss man das jetzt aufarbeiten, sowohl politisch als auch kulturpolitisch und gesellschaftlich. Und ich finde, dass besonders deutlich geworden ist, ist, was der Verlust von Kultur mit den Menschen macht. Man hat keinen dritten Ort mehr, um sich auszutauschen oder gemeinsam zu atmen. Daher haben wir das als intrinsische Motivation genommen und gesagt, egal wie viel Geld wir generieren, das Phoenix-Theaterfestival muss stattfinden, das ist unser Ziel!“
Das Sprichwort „Phoenix aus der Asche“ steht ja bekanntlich dafür, dass etwas Totgeglaubtes wieder aufersteht und euer Verein möchte genau dies erreichen. Alte Kulturstätte wieder zum Leben zu erwecken durch künstlerische Initiativen. Wie genau seid ihr denn auf die Idee des Vereins Phoenix e. V. gekommen?
Anica:
„Die Geschichte dazu ist eine kleine Reise und am Ende ist es so ein bisschen von heute auf morgen passiert! Wir haben uns im Februar zum ersten Mal mit den Leuten vom KulturQuartier getroffen und dann im September, so knapp ein halbes Jahr später, hat das erste Festival stattgefunden. Und das ist schon ziemlich ungewöhnlich! In diesen Zeitraum haben wir gespürt, dass es jetzt an der Zeit ist, ein Verein zu gründen. Wir hatten die Idee des Mottos: „Rise up from the pandemic“ als Festivals Titel, aber Jakob hat an diesen Punkt etwas ganz Entscheidendes gesagt: Ob wohl dieser Festival Titel wirklich bis ins Jahr 2025 weitergetragen wird? Dann haben wir vielleicht keine Pandemie mehr oder wir haben gelernt, damit zu leben.
Und so kam uns der Name Phoenix in den Sinn, denn wir wollten ein Konzept erarbeiten, eine Art Festival Architektur, die an Orten funktioniert, wo es mal Kulturstätten gab oder wo Kulturstätte wiederbelebt werden. Deswegen finde ich, ist Phoenix am Ende die richtige Wahl, weil Phoenix energisch ist und auch die Mystik des Tiers vermittelt. „
Jakob:
„Es hat auch ein bisschen etwas Künstlerisches und es leuchtet total ein, dass man es so nennt. Das war für uns auch ein sehr wichtiges Argument, diesen Titel zu nehmen. Und es gibt kein Theaterfestival, das so heißt!“
Hinter euren Verein stehen ja sechs Mitglieder, euch eingeschlossen. Wie hat sich denn diese Zusammensetzung ergeben, ihr habt zu einem unterschiedliche Erfahrungen und auch Heimatorte?
Anica:
„Wir sind alle Kulturschaffende, die professionell arbeiten und ich habe quasi zwei Leute mitgebracht, die ich persönlich kenne und Jakob hat zwei mitgebracht. Wir leiten parenthetisch, also als Team, das ist uns auch total wichtig! Wir sind immer erst in der Dualität vorhanden und diese Dualität gibt es auch in den anderen Bereichen bei uns. Besser kann man es nicht haben, wenn man von dem Wissen und der Erfahrung von anderen profitiert.“
Jakob:
„Genau und dann gruppieren sich um diese sechs Leute noch andere. Aber wir sechs sind das Kernteam und wir sind damit auch sehr glücklich, weil es ist, klein, flexibel und schnell.“
Jakob, du arbeitest an Landes- und Stadttheatern in ganz Deutschland und bist vermutlich vertraut mit dem Ablauf und der Umsetzung eines Theaterspiels. War es dennoch für dich ein neues und aufregendes Erlebnis? Oder hatten die Stücke des Festivals für dich eine neuartige Bedeutung?
Jakob:
„Ich würde sagen, es ist eine ganz andere Arbeit als Regie. Weil dort bin ich nicht verantwortlich für die Organisation der Stücke. Regie ist eher eine rein künstlerische Arbeit. Ich habe das Gefühl, dass es mir liegt, und es wird sich jetzt zeigen, wie weit sich das trägt, aber für mich ist ganz klar, ich kann das nicht nur machen!
Ich finde nur, dann hat etwas Kraft, wenn man noch anderweitig in künstlerische Geschäften drinsteckt und diese Inspiration mitnehmen kann in eine andere Art von Arbeit.“
Anica:
„Und wer sind wir, jemanden einzuladen und ihn zu bewerten, wenn wir nicht selber sichtbar sind und uns der Welt stellen.“
Das Phoenix-Theaterfestival hatte viele eindrucksvolle und neuartige Stücke. Einige Künstler konnten ihre Stücke durch die Pandemie vorher nicht zeigen und erlebten beim Festival ihre Premiere. Woher kam denn die Inspiration für das Programm?
Jakob:
„Da muss man ehrlicherweise sagen, dass wir innerhalb von ein paar wenigen Monaten ein Theaterfestival aus dem Boden stampfen mussten, und da kam die Inspiration aus dem Machbaren her. Wir mussten die Netzwerke anfeuern, die wir bereits hatten. Ich nutzte sehr stark die Kontakte, die ich aus meiner Dozenten-Tätigkeit hatte und Anica nutzte ihre Kontakte aus der Hochschule, wo sie studiert hat. Dann haben wir geschaut, was uns gefällt. Wir wollten dabei ein geiles, vielfältiges Programm, dass aufeinander gut abgestimmt ist und welche verschiedenen Sachen zeigt – eine Pluralität sollte ermöglicht werden. Es ging darum, mehrere Sachen aus unterschiedlichen Richtungen zu zeigen und weniger unter einer vorgefertigten Brille vorzugehen.“
Anica:
„Genau und dann haben wir noch versucht, thematisch zu schauen, was ist denn los in der Stadt und das konnten wir in diesen Fall natürlich nur erahnen. Aber dieses Jahr haben wir mehr Zeit bis nächsten Juni, wo wir das nächste Festival machen und wo wir noch mal genau schauen können, was interessiert die Leute eigentlich in Erfurt. Was beschäftigt die Einwohner, wo nach müssen wir suchen und was müssen wir mitbringen? Denn wir wollen ja kein Programm machen gegen die Stadt, sondern mit und für die Stadt!“

Das Festival stand unter dem Motto „Rise up from the pandemic“. Wie genau wollt ihr aus der Pandemie wieder auferstehen?
Anica:
„Wir sind Theater Leute und wir können in erster Linie viel behaupten, ob das dann am Ende stimmt, ist erst mal egal. Aber erst mal sich zu trauen, etwas zu behaupten, setzt wahnsinnig viel Hoffnung und Energie frei. Und am Ende des Tages hat es dann auch funktioniert! Wir haben vier jungen Künstler: innen die Möglichkeit gegeben, ihre Stücke aufzuführen, die sie vorher durch die Pandemie nicht präsentieren konnten. Wir haben der Stadt die Möglichkeit gegeben, dass hier wieder Schauspiel und zwar professionelles Schauspiel stattfinden kann. Und ich finde auch das KulturQuartier ist ein Aufbruch gelungen dadurch, dass in einem kontinuierlichen Angebot Schauspiel stattgefunden hat. Wir konnten uns austauschen und gemeinsam atmen!“
Jakob:
„Absolut! Durch das Phoenix-Theaterfestival hat man eine Aufbruchsenergie verspürt, die wir, als wir das Festival geplant haben, total brauchten! Es war diese maximal depressive Lockdown Phase und wir wollten zu allen sagen: „Rise up“. Dann ging es auch noch um konkrete Sachen, die wir erreichen wollten und teilweise erreicht haben. Eine der jungen Regisseurin:innen hat ein Angebot für ein nächstes Stück bekommen! Und das meine ich: Arbeit schafft Arbeit! Man schafft Möglichkeiten, Vernetzungen und weiterführende Projekte!“
Die Pandemie hat bei vielen ein Loch hinterlassen und vor allem die Künstler: innen aber sehr darunter gelitten. Welches Lebensgefühl habt ihr denn vermisst, als es keine Auftritte gab?
Anica:
„Ich kann das aus der Perspektive einer Mutter beschreiben. Für mein Kind war es sehr schwer, dass die Spielplätze geschlossen waren und wir nicht raus gehen durften oder dass sie die ganze Zeit drin war und ihre Kita Freunde, Oma und Opa nicht gesehen hat. Und das ist für Familien einfach eine enorme Herausforderung und am Ende des Tages fällt einen natürlich die Decke auf den Kopf! Dass wir diese Zeit überstanden haben, ist wirklich ein halbes Weltwunder! Ohne diese dritten Orte haben wir ein Problem, denn der Mensch will sich austauschen und etwas erleben! „
Jakob:
„Für Künstler: innen ist es einfach immer schwer, nicht zu arbeiten. Denn Arbeit schafft Arbeit. Arbeit schafft Interesse und gerade bei Theater Leuten ist noch mal schwerer! Es ist eine Kunstform, die nicht von zu Hause aus geht und welche unglaublich stark über Begegnung funktioniert!“
Anica:
„Aber auch egal, ob man Künstler: in ist oder nicht. Jeder Mensch möchte sich austauschen oder die Möglichkeit haben, etwas zu erschaffen oder zu kreieren. Das in der Pandemie nicht zu haben war für viele Menschen furchtbar, aber es verbindet uns am Ende auch miteinander. Und erzählt dir auch wieder, dass wir keine Einzelkämpfer: innen sind, sondern Gruppentiere!“
Welches Gefühl hat Erfurt bei euch hinterlassen?
Jakob:
„Ein Potenzial, würde ich sagen. Aber ich habe auch teilweise das Gefühl mitbekommen, dass es hier in bestimmten Bereichen eine Unterversorgung herrscht und die Möglichkeiten, die man eigentlich hätte, nicht ausgeschöpft werden! Erfurt ist an sich eine sehr kulturell angereicherte Stadt, aber was gerade unseren Bereich angeht, das Schauspiel werden die Möglichkeiten, die man dafür hätte, nicht ausgeschöpft!“
Anica:
„Wir haben das immer dann gemerkt, wenn wir mit Leuten über das Schauspiel gesprochen haben – in der Stadt oder im Taxi – und sofort die Augen bei ihnen ganz groß wurden! Der Verlust des Schauspiels ist ein sehr sensibles und emotionales Thema! Aber die Freude bei ihnen zu entdecken, wenn wir sagen, dass wir das Schauspiel wieder nach Erfurt bringen. Es ist einfach superschön!
Und ehrlich, die Stadt ist einfach geil. Sie ist wunderschön, hat eine ultra Geschichte und es gibt wahnsinnig viel zu entdecken! Man hat hier noch so viele Möglichkeiten zum Entfalten! „
