„One Bouquet per Day“ Blumenprojekt von Juliane Solvång
An einem sonnigen und warmen Julimorgen treffen wir uns mit Juliane Solvång im Botanisch-Dendrologischen Garten, der sich dem Luisenpark anschließt. Die Sonne ist schon so stark, dass wir unsere Bank nochmal wechseln und uns in den Schatten setzen. Mit dem Blick auf die üppig blühenden Blumenrabatten kommen wir schnell ins Gespräch: über Julianes Projekt One Bouquet per Day, über Erfurts Flora und Fauna, aber auch über Nachhaltigkeit und Verantwortung in Sachen Blumen und Pflanzen.
Juliane Solvång ist in Berlin geboren, hat in Mecklenburg-Vorpommern ihre Jugend verbracht und ist letztes Jahr nach Erfurt gezogen, nachdem die gelernte Puppenspielerin 12 Jahre in Schweden gelebt hat. Seit 2013 zeigt sie zwischen Mai und Oktober auf ihrem Instagram-Kanal jeden Tag einen selbstgepflückten Blumenstrauß: 184 sind das am Ende jeder Saison. Das Projekt begann mit ihrem Umzug innerhalb Schwedens von einem Dorf auf einen abgelegenen, alten Hof in Skåne: „Ich habe die neue Umgebung täglich durch Spaziergänge und Wanderungen kennengelernt. Um auch meinen Freunden im Ausland zu zeigen, wie und wo ich lebe, begann ich mit dem Fotografieren der Sträuße.“ Mittlerweile schauen in ihrem virtuellem Garten nicht mehr nur ihr Freundeskreis vorbei: Botaniker:innen, Florist:innen, Blumenbegeisterte und Liebhaber:innen ihrer Bildästhetik finden sich unter Julianes Followerschaft.
Fotos: Juliane Solvång
Das Blumenprojekt One Bouquet per Day
One Bouquet per Day ist aber nicht nur schön anzusehen, sondern man lernt auch dabei. Im Gespräch beeindruckt Juliane durch ihr umfängliches Wissen in Sachen Blumen und Blüten. Dieses teilt sie auch unter jedem Foto bei Instagram, unter dem man die englischen, deutschen und schwedischen Namen sowie die botanischen Begriffe der Pflanzen lesen kann. Außerdem weist sie auf Besonderheiten und Eigenschaften hin und klärt auf, was den Naturschutz betrifft: „Darüber musste ich mich nach meinem Umzug auch selbst informieren. Einige Blumen, die in Schweden unter Naturschutz stehen, dürfen hier wiederum gepflückt werden und anders rum.“ Auch achtet die Künstlerin darauf, dass sie die ersten Blüten im Frühjahr stehen lässt und sie erst ab Mai für ihre Sträuße verwendet, die diese wichtig sind für Insekten und andere Kleintiere. Für ihre Sträuße verwendet sie nicht nur Wildblumen, sondern auch selbstangebaute Blumen aus dem Garten, Verblühtes, Beeren und Gräser. Juliane arbeitet mit Materialien, denen sonst nicht viel Beachtung geschenkt wird und versucht so den Begriff Strauß zu erweitern und offen zu interpretieren.
Fotos: Juliane Solvång
Hin und wieder stößt ihr Projekt auf kritische Nachfragen, warum sie die Blumen überhaupt pflücke und nicht einfach auf Schnittblumen aus dem Laden ausweiche, die ja „dafür da seien.“ Juliane steht für die slow flower-Bewegung, die Aufmerksamkeit auf Nachhaltigkeit in der Blumenbranche legt. Was bei Lebensmitteln und Kleidung schon salonfähig ist, ist dort noch eine Nischenangelegenheit. Der überwiegende Teil der im Handel zu kaufenden Blumen sind nicht in Deutschland angebaut, sondern werden über die Niederlande aus beispielsweise Lateinamerika oder afrikanischen Ländern importiert. Aspekte wie Transportwege, CO2-Ausstoß, Ressourcenverbrauch und Pestizidbelastung (!) spielen eine Rolle. „Mit dem Projekt kann ich auf künstlerische Art und Weise darauf aufmerksam machen, dass auch Blumen saisonale Produkte sind, die nicht immer zu jeder Zeit zu haben sind. Dass auch vermeintliches Unkraut schön ist und dass selbst in Wintermonaten ein kleiner Ast toll in der Vase aussehen kann. Alles hat seine Zeit.“, sagt Juliane. „Auch hat das Blumen pflücken einen fast heilsamen Charakter; man hat jeden Tag eine Aufgabe, sieht das Schöne im Kleinen. Durch das Wandern der Augen beim Suchen kommt der Körper zur Ruhe und der Kopf auf andere Gedanken.“ Ihre Community spiegel ihr oft wider, dass sie sich vom slow flower-Gedanken anstecken lasse und ebenso ihren Blick üben und bei Spaziergängen nach Blüten Ausschau halten.
Während die Lichtflecken vor unserer Bank auf dem Boden tanzen, träumen wir kurz von mehr städtischen Projekten zum Selbstpflücken von Blumen und Nutznießen von brachliegenden Geländeflächen, um auch in Erfurt in Sachen slow flower etwas zu realisieren.
Streifzüge durch Erfurts Wiesen und Felder
Auf Nachfrage, ob sie ihre Bilder auch mal vorproduziert, schmunzelt die Kreative: „Tatsächlich sind die Blumensträuße und die Fotos tagesaktuell. Ich habe nur einmal 2014 geschummelt und zwei Bilder an einem Tag gemacht, weil ich wusste, ich schaffe es am nächsten Tag nichts zu produzieren. Aber das hat sich irgendwie nicht authentisch angefühlt.“ Juliane sieht das Blumenpflücken als Übung und ihre Fotografien und Feed eher als Skizzenbuch, an dem nichts perfekt sein muss und durch das sie auch lernt, sich selbst und ihr Schaffen anzunehmen – auch wenn ihr ein Bild mal nicht so gut gefällt: „Oft kommen Posts richtig gut an, mit denen ich selbst nicht so zufrieden war.“

Täglich ist sie also mit ihrer Kamera und ihrem Stativ unterwegs und sucht nach passenden Blüten und dem richtigen Motiv, um sich und die Blumen in Szene zu setzen. Ob die Leute da schon mal neugierig gucken und nachfragen, was sie tut, wollen wir von Juliane wissen. Sie bejaht: „Meistens bin ich in eher abgelegenen Ecken unterwegs, an denen nicht so viele Spaziergänger vorbeikommen. Hin und wieder wird man aber doch beobachtet, einige kommentieren die Sträuße oder fragen sich, was ich da mache.
Blüten in Vasen, Blüten auf Stoffen
Auf ihren Bildern ist nicht nur ihr tägliches Bouquet zu sehen, sondern immer auch ihre Hände: „Die sind schließlich mein wichtigstes Werkzeug!“ bemerkt sie. Außerdem strahlen neben den bunten Blumen auch ihre farbenfrohen Vintagekleidern. Schaut man in die Kommentare unter ihren Posts, finden diese oft Anklang und regelmäßig fragen Begeisterte nach der Herkunft. Das Nachkaufen der Kleider dürfte allerdings schwierig werden. Wie auch bei den Blumen oder beim Kauf von Lebensmitteln achtet Juliane Solvång auf die Nachhaltigkeit ihrer Kleidung: „Ich kaufe kaum noch neue Klamotten und bekomme sogar hin und wieder aus Nachlässen oder von Bekannten Kleider geschenkt, die wissen, dass ich dafür ein Faible habe.“ Meist bringen diese Kleidungsstücke noch eine persönliche Geschichte oder ein kleines Abenteuer mit: „Das Kleid, was ich heute anhabe, stammt aus den 40ern und wurde mir von einer ehemaligen Nachbarin geschenkt. Ein anderes Mal wurde ich von einer Dame angeschrieben, die von Bayern in den Norden auf der Durchreise durch Berlin war. Am Bahnhof reichte sie mir während des Halts ihres Zuges einen alten Lederkoffer mit fast fünfzehn Kleidern raus.“ Sie freut sich, dass sie andere durch ihre Bilder auch noch für ihre zweite Herzensangelegenheit begeistern kann: die nachhaltige Mode.
Fotos: Juliane Solvång
(Auf-)Blühen in Erfurt
Nun lebt sie in Erfurt und bereut ihren Umzug keinen Tag: „Bevor ich nach Deutschland zurückgekommen bin, hatte ich ein paar Städte auf meiner imaginären Liste. Letztendlich ist Erfurt das Beste aus beiden Welten. Die kurzen Wege: ich bin schnell in der Natur, aber auch schnell in der Altstadt um Freunde zu treffen. Man kann aber auch mit dem Zug sehr gut Berlin erreichen.“ Juliane schwärmt ebenso davon, dass sie Erfurt so gut aufgenommen hat: „Neuankömmlingen wird es hier einfach gemacht, anzukommen. Jeder kennt jeden und versucht Menschen zu verknüpfen und Kontakte zu vermitteln.“ Sie schätzt die vielseitige Natur der Stadt, die nicht nur im Steigerwald und an der Gera zu finden sind, sondern auch auf Industriebrachen im Norden oder verlassenen Parkplätzen stattfindet. Wir fragen, welche Pflanzen sie hier wiederentdeckt hat und welche sie aus ihrer alten Heimat vermisst. Juliane freut sich in Erfurt über Blumen wie das Mannstreu, eine unter Naturschutz stehende Distelart – die deswegen natürlich stehen bleibt –, oder die Sichelmöhre. Nur die spezifische schwedische Waldvegetation, die vermisst sie manchmal.
Im kommenden Jahr können sich Interessierte auch außerhalb von Instagram Julianes Kunst anschauen. Zusammen mit dem Haus Dacheröden konzipiert sie eine Ausstellung, an der sich auch Erfurter:innen beteiligen können. Wer mehr von Juliane Solvång lernen möchte, der kann sie außerdem für Wildblumen-Spaziergänge, Workshops, Beratungen oder eine weitere Zusammenarbeit anfragen.
Vielen Dank liebe Juliane, für dieses inspirierende, interessante und lustige Gespräch, aus dem wir selbst viel mitnehmen konnten und das unseren „liebenden Blick“ auf Erfurt und dessen Natur wieder auf ein Neues geschärft hat.

Kontakt:
@onebouquetperday
hello@julianesolvang.com
julianesolvang.com
Bilder: Juliane Solvång und Lea Teschauer