Liebes Erfurt,
ein Jahr und zwei Monate ist es nun her, dass du mich als neue Bewohnerin willkommen geheißen hast. Wir kannten uns schon vorher. Erst flüchtig, später auch etwas besser. Aber ich war noch mit einer anderen Stadt liiert und konnte mich aus Gründen nicht von ihr trennen. Das sollte sich nach dem Ende meines Studiums aber ändern. Ich weiß, man soll eigentlich nicht direkt nach einer Trennung etwas Neues anfangen – aber will ich machen? Die Liebe hat mich zu dir geführt und so habe ich mich auch in dich verliebt.
Natürlich beruht Liebe nie nur auf Äußerlichkeiten, aber ich muss dir an dieser Stelle einfach mal sagen: Du bist wunderschön! Kein Grund, rot zu werden. Es ist wirklich so. Ich habe kaum eine andere Stadt gesehen, die dir das Wasser reichen kann. Deine Gassen, deine Flussläufe, deine Architektur – all das und noch viel mehr kann eigentlich nur mit einem einzigen Wort beschrieben werden: Perfekt.
Doch auch im Inneren bist du wirklich schön. Du bist ein toller Ort für Familien und junge Menschen. Zahlreiche Helden unserer Kindheit, die mir überall auf meinen Wegen durch deine Straßen begegnen, machen aus dir eine Stadt, die auch Erwachsene wieder zu Kindern werden lässt. Erfurt, du bist ein Ort, an dem man sich wohlfühlt, ein Ruhepol, eine Insel, auf der man Schutz suchen und auch finden kann. Du bietest uns Bewohnern so viele Plätze, an denen wir komplett vergessen können, dass du doch eigentlich eine pulsierende Stadt bist. Du bist eben auch ruhig, zurückhaltend, fast schon schüchtern. Ich schätze diese Eigenschaften von dir wirklich sehr – vor allem, weil ich weiß, dass du auch ganz anders kannst. Tief in deinem Inneren brodelnso viele neue Sachen, die alle nur darauf warten, an die Oberfläche zu kommen. Kultur trifft Subkultur. Alten, brachliegenden Geländen wird neues Leben eingehaucht. Du bietest Ideen Platz – auch wenn sie noch so verrückt sind. Du befindest dich in einer Umbruchphase – ein Unbruch hin zum Guten, hin zum Spannenden.
Okay, zugegeben, in letzter Zeit hast du dich immer mal wieder von einer Seite gezeigt, die ich nicht so gern mag. Hasserfüllte Menschen sind durch deine Straßen gezogen und haben sich genau auf deinem Herzen getroffen, um zu demonstrieren, dass sie angeblich das Volk sind. Ich verzeihe dir das, weil ich weiß, dass es gegen deinen Willen geschehen ist. Doch anstatt die Augen zu verschließen und es hinzunehmen, hast du dich gewehrt. Du hast deine Seele, das, was dich am meisten ausmacht und wofür du in ganz Deutschland bekannt bist, verdunkelt und damit gezeigt, dass du dich nicht benutzen lässt. Auch viele, viele Menschen, die dich ebenfalls sehr lieben, haben dabei geholfen, dass dein Antlitz nicht beschmutzt wird. Ich danke diesen Menschen sehr und teile gern die Liebe zu dir mit ihnen. Sie sind stark und haben eine Stimme, die nie verstummen wird. Es macht Mut, zu wissen, dass ihnen dein Wohl genauso sehr am Herzen liegt wie mir. Auch wenn ich die meisten dieser Menschen nicht kenne, fühle ich mich mit ihnen verbunden. Das Band, das uns vereint, bist du, liebes Erfurt.
Dass du weiterhin als weltoffene, kunterbunte Stadt wahrgenommen wirst, ist mir ganz besonders wichtig. Deswegen blogge ich auch über dich. Ich will den Menschen – auch denen, die dich noch nicht so gut kennen – zeigen, wer du bist und was du eben nicht bist. Du bist so viel mehr als nur die Krämerbrücke und der Dom. Du bist einzigartig, abwechslungsreich und eigentlich unbeschreiblich. Deswegen beende ich meinen Liebesbrief an dieser Stelle und will dir eigentlich nur eines sagen:
Erfurt, du bist l(i)ebenswert.
2 Antworten
Hey ich finde deinen Blog Eintrag super schön! Habe selbst (leider) nur zwei Monate in Erfurt gelebt und habe jeden einzelnen Tag dort geliebt. Ich werde auch eines Tages wieder kommen und den Rest meines Lebens dort verbringen.
Sehr gut geschrieben, vor allem ist deine Sichtweise auf Erfurt echt schön.
Weiter so!
Hallo Julia,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich kann sehr gut verstehen, dass du wieder hier her kommen willst und finde es wunderbar :)
Viele Grüße,
Jessi