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Ich gebe ehrlich zu: Wissenschaft hat nie zu meinen großen Leidenschaften gehört. Am Gymnasium hab ich den musisch-künstlerischen Weg eingeschlagen (unter anderem mit Theaterunterricht und Chor) und diesen mit einem klassischen Hausfrauen-Abitur (LK Deutsch/Geschichte) gekrönt. Auch an der Uni und später an der Hochschule wurden die Naturwissenschaften strikt gemieden. Ich habe im Bachelor sogar das Nebenfach gewechselt, weil ich die Statistik-Prüfung in Psychologie nie im Leben gepackt hätte.
Als ich gefragt wurde, ob ich mich auf der Langen Nacht der Wissenschaften hier in Erfurt umschauen möchte, war ich deswegen zunächst einmal eher skeptisch. Aber wie war das noch gleich mit den regelmäßigen Horizonterweiterungen und dem Wechseln der Perspektive?! Davon bin ich schließlich eine große Verfechterin. Also: Challenge accepted!
Wissenschaft an 20 Standorten
Wenn es dem Besucher der #LNDW_EF (dieser Hashtag darf gern mal auf Instagram und/oder Facebook durchstöbert werden) an einem nicht gefehlt hat, dann an Auswahl (okay, und an Verpflegung, die war auch im Übermaß vorhanden). An vollen 20 Standorten im gesamten Stadtgebiet hatten neugierige Entdecker die Möglichkeit, Wissenschaft in all ihren Facetten zu erleben – von der Neurochirurgie über virtuelle Realität bis hin zu „Hebräisch lesen in 20 Minuten“. Nicht nur die drei Hauptveranstaltungsorte, die Universität, die Fachhochschule und das Helios Klinikum, hatten ein abwechslungsreiches und pickepackevolles Programm vorbereitet. Auch andere Einrichtungen wie der Flughafen, die Alte Synagoge, die Stadtwerke, das Leibniz-Institut und zahlreiche Unternehmen haben ihre Türen für Besucher geöffnet und Wissenschaft greifbar gemacht.
Von halbnackten Gewichthebern und Einkaufschips
Bei einem so vielfältigen Angebot muss man sich natürlich im Vorfeld genau überlegen, welche Stationen man sich ansehen will. Denn auch wenn eine Lange Nacht der Wissenschaft Länge verspricht, reicht die Zeit auf gar keinen Fall aus, um alle Veranstaltungen zu besuchen. Ich habe die #LNDW_EF zum Anlass genommen, um endlich mal die Uni und die FH genauer unter die Lupe zu nehmen. Los ging es an der Fachhochschule.
An der Fakultät Wirtschaft-Logistik-Verkehr erwartete uns ein Roboter, der die Freundlichkeit besaß, uns ein Fläschchen Bier zu öffnen und (in Zeitlupe) in ein Glas einzuschenken. Prösterchen und vielen Dank, liebe Maschine. Ich hätte es nicht besser hinbekommen.
Danach ging es für den Freund und mich weiter ins HDTV-Video-Studio, wo wir die Funktionsweise eines Greenscreens live und >in Farbe< (haha) erleben konnten. Auch wenn ich selbst nicht vor dem Screen posieren konnte (zwei Kinder hatten dort einfach zu viel Spaß), finde ich es großartig, welche Möglichkeiten die Fachhochschule ihren Studierenden bietet. Ähnliche Erfahrungen habe ich in meinem Master-Studium an der Hochschule in Magdeburg gemacht.
Gleich neben dem HDTV-Studio wartete dann mein persönliches Highlight auf mich: „Mittendrin statt nur dabei – Virtuelle und erweiterte Realität live erleben“. Na da bin ich doch mal so was von dabei – genau wie ca. 200 andere Besucher der Langen Nacht der Wissenschaft. Die VR-Station erfreute sich größter Beliebtheit und sorgte vor allem bei den Kleinsten für viel Begeisterung. Doch anders als beim Greenscreen wollte ich mich hier nicht so leicht abwimmeln lassen.
Also hieß es: Warten… und den Kindern dabei zusehen, wie sie virtuelle Donuts und Kaffeetassen von A nach B „bewegen“. Als mein großer Moment dann schließlich gekommen war, war das Grinsen entsprechend breit. Ich bekam eine futuristische Brille aufgesetzt – und befand mich plötzlich in der sogenannten Mixed Reality. Das bedeutet, ich habe alles um mich herum ganz normal wahrgenommen – und zusätzlich einen leicht bekleideten und stark tätowierten Gewichtheber gesehen. Hallöchen! Dem Reflex, dem Herren auf seinen virtuellen Hintern zu hauen, widerstehend (es waren schließlich Kinder anwesend *hust*), fuchtelte ich einfach ein bisschen mit den Armen herum, machte komische Fingerbewegungen und gab die Brille dann an den nächsten Wartenden weiter. Eine wirklich spannenden Erfahrung, die ich irgendwann mal meinen Enkeln erzählen kann. („Wisst ihr, Kinder, damals, als ich das erste Mal Virtual Reality ausprobiert habe, wollte ich dem Kerl im Schlüpper eigentlich auf den Hintern hauen.“ – „Boah, OMAAA!!“)
An der letzten Station an der FH warteten schließlich ein paar Bekannte aus dem Makerspace Erfurt auf uns. Die Jungs, die ihre neue Heimat im Keller des Krämerlofts gefunden haben, nutzten die Lange Nacht der Wissenschaften, um den Besuchern die Technik des 3D-Drucks zu erklären und selbstverständlich auch zu demonstrieren. Ich muss zugeben, dass mich das wirklich beeindruckt hat. Es war cool, mal ein paar Fragen stellen und gleichzeitig dabei zuschauen zu können, wie die Apparatur vor unseren Augen eine dreidimensionale Fischgräte druckt. Als kleines Erinnerungsstück an diesen Abend gab es sogar einen Einkaufschip aus dem 3D-Drucker – selbstverständlich im Makerspace-Design.
Die Lange Nacht der Wissenschaften: Plötzlich 40 Jahre älter!
Nach einer leckeren Stärkung ging es von der FH mit der Straßenbahn hoch zur Uni. Auch hier: Viele kleine und große Entdecker, die wissbegierig und staunend durch die Gänge wandelten. Meine Aufmerksamkeit wurde in einem Raum geweckt, in den wir eher durch Zufall gestolpert sind. Auf einem unscheinbaren A4-Zettel las ich die Worte: „Machen Sie sich 40 Jahre älter.“ Öhm… okay?! Warum nicht. Ehe ich mich versah, rüstete mich eine nette Studentin mit Halskrause, Gehörschutz, Brille und Handschuhen aus – und machte mich damit tatsächlich etwas… nun ja… beeinträchtigt. Dass man im Alter schlechter hört und sieht, war nichts Neues für mich. Aber die eingeschränkte Beweglichkeit „dank“ der Halskrause und die veränderte Haptik durch die Handschuhe sorgten dann doch noch für einen Aha-Effekt. Als ich alles wieder los war, war ich dankbar und froh… und gleichzeitig auch ein bisschen nachdenklich. Gesund zu sein, ist wirklich das allergrößte, was uns passieren kann.
Mit diesem Gedanken ging es weiter in den Raum nebenan. Dort drehte sich alles um Infektionskrankheiten, die ganz aktuell auf der Welt wüten und die durch Impfungen verhindert werden könn(t)en. Was es mit dem Computerspiel auf sich hatte, habe ich zwar leider nicht so richtig verstanden, aber vermutlich ging es dabei eher um den Entertainment-Faktor.
Den Abschluss unserer Langen Nacht der Wissenschaft bildete ein Besuch in der Lernwerkstatt. Hier konnte ich meine Fähigkeiten im Buchdruck unter Beweis stellen… ausbaufähig, würde ich mal behaupten. Aber ich hab es immerhin versucht und geschafft, dass die Tinte nur auf dem Papier und nicht auf meinen Händen gelandet ist. Wer mich kennt, weiß, was das für eine große Leistung war!
Mein Fazit zur Langen Nacht der Wissenschaften?
Wirklich gut – und das nicht nur, weil wir ein Freibier und einen Einkaufschip abgestaubt haben. Das Angebot ist abwechslungsreich und lädt an vielen Stellen zum Mitmachen ein. Genau das hatte ich mir auch von der Veranstaltung erhofft: Dass einem Wissenschaft nicht im langweiligen Frontal-Unterrichtsstil vermittelt wird, sondern man selbst ausprobieren, anfassen und mit allen Sinnen erleben kann. Der Freund und ich hatten auf jeden Fall Spaß an diesem etwas anderen Freitagabend.
Mein Tipps für alle, die die kommende Nacht der Wissenschaften besuchen wollen: Schaut euch das Programm im Vorfeld an und sucht euch eure Highlights heraus, um sie gezielt anzusteuern. Außerdem ist es gut, etwas Geduld mitzubringen. An den richtig coolen Stationen stauen sich die Hobby-Wissenschaftler und Kinder werden beim Ausprobieren und Experimentieren grundsätzlich bevorzugt (was natürlich logisch ist!). Hier ist Durchhaltevermögen gefragt.
Liebste Grüße,
Jessi
Fotos und Videos: Jessika Fichtel | Feels like Erfurt
2 Antworten
Ohhh klasse! Da wäre ich auch unglaublich gerne dabei gewesen. Aber danke das du uns auf Instagram mitgenommen hast und einen tollen Blogpost darüber geschrieben hast! Toll. :)
Es war wirklich spannend ❤