Ein Schritt in die richtige Richtung: Nadine Baumann vom „Klimaentscheid Erfurt“ im Interview

Klimaentscheid Erfurt Unterschrift
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*Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Erfurt, alles im grünen Bereich?!“, ein Projekt, welches im Rahmen des kulturellen Jahresthemas der Stadt Erfurt „Kultur hallt nach“ entstanden ist und durch dieses gefördert wird. Wir stellen euch nachhaltige Akteur:innen der Stadt vor, die Erfurt auf vielfältige Art und Weise positiv beeinflussen, dazu beitragen, die Stadtgesellschaft positiv zu prägen und das Erfurtbild von Morgen skizzieren.

Es ist längst kein Geheimnis mehr: Der Klimawandel schreitet immer weiter voran – weltweit und auch in Erfurt. Höchste Zeit also, unser Lebensumfeld zu schützen und der menschengemachten Klimakrise entschlossen entgegenzutreten. Doch was können wir tun, wenn die Temperaturen steigen, Grünflächen und Parks regelrecht verbrennen und der Wasserspiegel sinkt? Die Antwort liegt auf der Hand: Handeln! Und zwar alle. Eine Gruppe engagierter Erfurter:innen hat sich zum Ziel gesetzt, die Lokalpolitik verstärkt in die Verantwortung zu ziehen. Sie fordert die Anpassung aktueller Klimaziele und will im Rahmen des Bürgerbegehrens „Klimaentscheid Erfurt“ den Weg für ein klimaneutrales Erfurt bis 2035 ebnen. Wir haben uns mit Nadine Baumann, Gründungsmitglied des „Klimaentscheid Erfurt“, getroffen, um mehr über das Begehren, ihre Motivation und ihre ganz persönliche Zukunftsvision von Erfurt zu erfahren.

Was ist der „Klimaentscheid Erfurt“?

Der „Klimaentscheid Erfurt“ ist ein Bürgerbegehren, das sich Umweltthemen widmet und die große Hauptforderung stellt, Erfurt bis spätestens 2035 klimaneutral zu gestalten. Ein Bürgerbegehren wie unseres ist ein Instrument der direkten Demokratie, das Bürger:innen die Möglichkeit gibt, Themen, die in stadtpolitischen Diskursen wenig oder unzureichend thematisiert werden, eigenständig anzusprechen, diese auf den Tisch zu bringen und der Lokalpolitik zu signalisieren: „Hey! Das ist uns eine wichtige Angelegenheit. Wir möchten, dass ihr euch damit auseinandersetzt!“. Der Klimaentscheid setzt sich also für eine klimaneutrale Zukunft und eine aktive Klimapolitik in Erfurt ein.

Wer steckt hinter der Bürgerinitiative?

Der „Klimaentscheid Erfurt“ ist eine Initiative des Bündnis für Klimagerechtigkeit Erfurt. Wir sind ein bunt gemischter Haufen ehrenamtlicher Erfurter:innen, die aus verschiedenen Bereichen der Stadtgesellschaft kommen – von Student:innen bis hin zu Rentner:innen sind alle vertreten. Zudem sind wir in mehreren Vereinen organisiert, unter anderem beim BUND, WWF, Fridays for future, dem Zukunftsfähigen Thüringen e.V. und bei Greenpeace. Gemeinsam wollen wir die Klimafrage der Stadt Erfurt selbst in die Hand nehmen. Denn Klimaschutz geht uns alle etwas an! Angetrieben von dem Wunsch, Erfurt nachhaltig als lebenswerten Wohnraum zu erhalten, haben wir den „Klimaentscheid Erfurt“ initiiert. Witzigerweise besteht unser Kernteam zum Großteil aus frisch gebackenen Erfurter:innen und jungen Menschen, die es vor gar nicht allzu langer Zeit hierher verschlagen hat, die aber allesamt Bock haben, Erfurt nachhaltig zu bewegen.

Euer Anliegen ist es, die Stadt Erfurt bis 2035 klimaneutral zu gestalten. Wie genau ist das zu erreichen?

Im Idealfall steht am Ende des Bürgerbegehrens ein Stadtratsbeschluss. Damit dem so ist und unser Anliegen im Stadtrat Gehör findet, sammeln wir über einen Zeitraum von 4 Monaten, also bis zum 30. November 2022, 7.000 Unterschriften von Erfurter Bürger:innen. Natürlich gilt hier: Je mehr, desto besser. Je mehr Unterschriften wir erhalten, umso größer ist am Ende natürlich auch das Signal, das wir senden, und der Rückhalt in der Bevölkerung. 7.000 Unterschriften sind aber das Minimum. Erst wenn diese Zahl geknackt ist, wird auch politisch über die Forderungen des Klimaentscheids diskutiert und abgestimmt. Wird unsere Forderung nach Klimaneutralität angenommen, beginnt die eigentliche Arbeit: Denn dann heißt es Handeln. Sprich: Die Stadt muss durch entsprechende Maßnahmen ihren CO₂-Ausstoß stark senken und verbleibende Emissionen ausgleichen. Wie genau dies zu realisieren ist, gilt es nach einem positiven Stadtratsbeschluss im Rahmen eines Klimaaktionsplans detailliert auszuarbeiten. Dabei sollen Expert:innen und Zivilgesellschaft gleichermaßen involviert werden.

Was hat dich ganz persönlich dazu bewegt, beim Klimaentscheid mitzuwirken?

Ich hatte wirklich schon lange das große Bedürfnis, meinen kleinen Teil im Kampf gegen die Klimakrise beizutragen und habe enormen Respekt für Fridays for Future, aber natürlich auch für alle anderen Umweltaktivist:innen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten mit Elan und Engagement für das Thema Nachhaltigkeit einsetzen und auf die Straße gehen – Chapeau! Leider bin ich selbst nicht so der Demonstrationstyp und tue mich da irgendwie schwer. Trotzdem wollte ich einen Weg finden, aktiv zu werden. Den habe ich mit dem Bürgerbegehren gefunden. Ohne in irgendwelchen politischen Strukturen verortet zu sein, kann ich als Bürgerin direkt Einfluss nehmen und meinen Beitrag leisten.

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es die Zivilgesellschaft braucht, um die menschengemachte Klimakrise zu stoppen. Politische Rahmensetzungen allein reichen da nicht aus. Für solch eine große Aufgabe braucht es jede:n einzelnen von uns. Und da finde ich das Bürgerbegehren ein sehr spannendes und (hoffentlich) zielführendes Instrument.

Auch andere Städte und Kommunen haben Klimaentscheide veranlasst. Habt ihr euch davon inspirieren lassen? Gibt es vielleicht sogar konkrete Vorbilder?

Es gibt zwei Städte, bei denen wir ganz besonders hingeschaut haben – das hat natürlich auch etwas mit der räumlichen Distanz zu tun. Zum einen ist das Jena. Hier wurde die Unterschriftensammlung im Rahmen des Klimaentscheids bereits nach sage und schreibe 2(!) Wochen beendet und die Forderungen vom Stadtrat übernommen – quasi der Traum eines jeden Bürgerbegehrens. Und dann gucken wir natürlich auch oft nach Berlin. Hier passiert unheimlich viel und die Organisationen und Initiativen in der Hauptstadt sind noch einmal ein ganz anderes Kaliber und haben eine ganz andere Schlagkraft. Das finde ich persönlich sehr inspirierend. Es ist auch schön zu sehen, dass sich dahingehend ein bundesweites Netzwerk aufspannt, was den Austausch und gegenseitigen Support fördert.

Wie kann man den „Klimaentscheid Erfurt“ unterstützen?

Ein Weg ist es natürlich, seine Unterschrift zu setzen. Berechtigt sind hierzu alle Erfurter:innen, die mindestens 16 Jahre alt sind. Wir freuen uns über jede:n, die:der uns auf diese Weise unterstützt, denn jede Unterschrift wird gebraucht. Supporten und unter die Arme greifen kann man uns natürlich aber auch über die Unterschriften hinaus, indem man sich in den verschiedensten Bereichen der Organisation einbringt. Sei es, indem man selbst zur Unterschriftensammler:in wird, Werbemittel und Listen im Stadtgebiet verteilt oder aber Social-Media Posts für uns gestaltet. Jede:r der irgendwie Lust hat, bei uns mitzumachen, findet einen Weg – Aufgaben gibt es genug. Aktuell sind wir auch händeringend auf der Suche nach einem oder einer Designer:in, der:die sich unseren Werbemitteln annimmt. Melde dich also gern bei uns! Eine dritte Möglichkeit, den „Klimaentscheid Erfurt“ zu unterstützen, ist der Weg der Spende – dieser hilft, entstandene Miet- und Druckkosten zu deckeln.

Wie und wo kann man eine Unterschrift abgeben?

Entweder ihr ladet euch hierzu unsere Unterschriftenliste von der Website herunter und füllt diese entsprechend aus. Anschließend muss das Dokument dann entweder postalisch an uns gesandt oder aber in einer unser Sammelstellen abgeben werden. Leider ein bisschen kompliziert, aber es ist gesetzlich nun mal so vorgeschrieben, dass physische Unterschriften gesammelt werden müssen – digital, wie man es beispielsweise von verschiedenen Petitionen kennt, funktioniert das bei einem Bürgerbegehren leider nicht. Ansonsten könnt ihr eure Unterschrift aber auch auf direktem Wege, in einer unserer zahlreichen Sammelstellen setzen. Wir haben in der Stadt viele verschiedene Orte, an denen unsere Listen ausliegen. Und es kommen täglich immer wieder neue hinzu. Auch hier lohnt sich der Blick auf unsere Website – dort findet ihr eine Karte mit allen Sammelstellen im Überblick.

Abgesehen von diesen beiden Möglichkeiten werden wir über den gesamten Sammelzeitraum auch immer mal wieder in der Stadt unterwegs sein, Leute auf der Straße ansprechen und verschiedene Events und Veranstaltungen planen. Wir wollen zu Diskussionsrunden einladen und uns über mögliche Maßnahmen austauschen. Wir werden bei vielen Aktionen des Klimabündnisses Erfurt mitmachen und beispielsweise auch beim globalen Klimastreik am 23. September vertreten sein. Genauso möchten wir aber auch auf Kulturveranstaltungen präsent sein, die nicht unmittelbar mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu tun haben, um zu zeigen, dass die Sache wirklich alle etwas angeht!

Auf was freust du dich ganz besonders?

Am allermeisten? Tatsächlich auf unsere vielfältigen Sammelaktionen. Wir haben bei einem Wettbewerb einen Fahrradanhänger-Sammelstand gewonnen. Da ist sogar ein kleiner Sonnenschirm dabei. Der macht ordentlich was her – ich bin völlig begeistert. Ich habe zwar ein bisschen Angst davor, mit diesem Ding zu fahren, aber an sich ist das total schön. Wenn wir damit in der Innenstadt, aber auch im erweiterten Stadtgebiet unterwegs sind, unser Anliegen auf direktem Weg hinaustragen und über das Bürgerbegehren informieren – darauf freue ich mich wirklich ganz besonders.

Wie sieht deine persönliche Zukunftsvision von Erfurt im Jahr 2035 aus?

Für mich ist Erfurt 2035 auf jeden Fall noch grüner. Sowohl was Fassadenbegrünungen angeht als auch Parks und andere Grünflächen. Außerdem ist Erfurt dann eine Stadt mit noch besser ausgebautem Personennahverkehr, mit ganz vielen Fahrradfahrer:innen und tollen Radwegen. Darüber hinaus ist Erfurt in meiner Zukunftsvision auch eine Stadt mit vielen Begegnungsräumen. Ich würde mir wirklich sehr wünschen, dass wir im Rahmen des Kampfes um Klimaschutz und Klimaanpassung auch als Stadtgesellschaft näher zusammenrücken, voneinander lernen und einander besser zuhören. Damit einher geht natürlich auch, dass wir ganz viele Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen, die aktuell bestehen, aufheben und dass wir ein gutes Leben für ALLE Stadtbewohner:innen schaffen. Weiterhin sehe ich Erfurt als eine gesunde Stadt – das meine ich nicht nur strukturell, sondern auch in Bezug auf die Menschen, die hier leben. Denn wenn wir nichts gegen die Klimakrise unternehmen und anfangen, konsequent zu handeln, dann wird das für jede:n einzelne:n von uns auch gesundheitliche Folgen haben.

Zum Abschluss möchte ich noch einen Top-Tipp von dir, mit dem jede:r sein:ihr Leben im Handumdrehen ein bisschen nachhaltiger und klimafreundlicher gestalten kann.

Mein Tipp ist es tatsächlich, sich zu engagieren. Damit meine ich jetzt nicht, dass man sich verpflichtet fühlen muss, sich jeden freien Abend oder jedes Wochenende irgendwo hinzustellen und zu demonstrieren. Es gibt ja wirklich so vielfältige und tolle Möglichkeiten, um sich für das Thema Klimaschutz einzusetzen – man kann beispielsweise Patenschaften für Bäume übernehmen, die Bäume vor der eigenen Haustür bewässern oder Petitionen unterschreiben. Und man sollte das Signal, dass man damit sendet – sei es an Nachbar:innen, Freund:innen oder den Staat bloß nicht unterschätzen. Häufig sind es die vermeintlich kleinen Dinge, die große Wirkung zeigen. Wenn jede:r seinen:ihren Teil beiträgt, egal wie gering dieser erscheinen mag, können wir Großes bewegen und Dinge ins Rollen bringen. Manchmal reicht sogar schon eine Unterschrift…

Was jetzt noch gesagt werden muss: Damit der Schritt Richtung Klimaneutralität gelingt und das Bürgerbegehren Erfolg hat, braucht es euch und eure Unterstützung. Mit einer simplen Unterschrift könnt ihr Anliegen und Forderung des „Klimaentscheid Erfurt“ entscheidend supporten und so einen wichtigen Beitrag zur Zukunft der Stadt Erfurt leisten. Also Schluss mit den faulen Ausreden: Helfen war noch nie so einfach!

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